TAG DER AUTOBAHNKIRCHE

Tankstelle für die Seele

  • VON MARINA BLECHER
  • AKTUALISIERT AM 

Wer vom Autofahren eine kurze Verschnaufpause braucht, kann die auch in Autobahnkirchen finden. Doch wo gibt es die eigentlich? Und kann da jeder rein? Ein Überblick am Tag der Autobahnkirche.

Von der Autobahn herunterfahren, das Auto tanken und eine kleine Pause machen. An vielen Raststätten kann man das nicht nur im Restaurant oder in der Tankstelle machen, sondern auch in einem Gotteshaus. Sogenannte Autobahnkirchen sind Orte der Besinnung entlang von Reiserouten.

Das Konzept ist nicht neu: Für Wanderer und Pilger gab es bereits im Mittelalter Kapellen und Kreuze am Wegesrand. In dieser Tradition stehen die Autobahnkirchen. Sie dienen vor allem als Raum der Stille und des individuellen Gebets. Es gibt aber mancherorts auch regelmäßige Gottesdienste. Außerdem können Besucher ihre Gedanken oder Gebete in einem Anliegenbuch aufschreiben.

Die erste Kirche entlang der Autobahn entstand bereits 1958 – bis heute werden sie häufig genutzt. Etwa eine Million Menschen suchen hier eine religiöse Erholung. „Die Besucherzahlen sind je nach Standort der Kirche sehr unterschiedlich, das hängt unter anderem damit zusammen, wie stark die anliegende Autobahn befahren wird“, erzählt Birgit Krause von dem Unternehmen „Versicherer im Raum der Kirche“. Die Versicherer beschäftigen sich mit der übergeordneten Koordinierung. Besonders erfolgreich sei der Standort Himmelkron, sie habe ein Zählwerk eingerichtet und verzeichne jährlich etwa 80.000 Besucher.

Die Seele baumeln lassen

Autobahnkirchen werden gerne als „Tankstelle für die Seele beworben“. Autofahrer brauchen Raststätten, jedoch komme man an diesen nicht zur Ruhe, meint Pfarrer Dr. Bernhard Schmid. Autofahren und Verreisen sei mit Stress verbunden, deshalb brauche man die Möglichkeit, innezuhalten, herunterzukommen und mal die Seele baumeln zu lassen.

Die Motivation der Besucher, die Autobahnkirche aufzusuchen, sei sehr unterschiedlich. „Es gibt den traditionellen Autobahnkirchen-Besucher, der ist unterwegs, sieht das Schild, fährt runter, hält inne und fährt weiter“, erklärt Schmidt. Es gebe aber auch Leute, die aus touristischem Interesse kommen oder Radfahrer, die dort eine Pause machen. Außerdem kommen Leute aus dem Ort in die Kirche. „Die Menschen schätzen das Spontane an der Autobahnkirche, da Gotteshäuser sonst meistens geschlossen sind“, sagt Schmidt. Die Einträge im Gästebuch zeigen, dass die Menschen in allen möglichen Lebensumständen vorbeikommen. In Zeestow wird die Autobahnkirche sogar für Taufen und Trauungen benutzt.

Umgestaltung der Kirche

Nicht jede Kirche wird bewusst für die Verwendung an der Autobahn gebaut. Es gibt auch Gebetshäuser, die dazu umfunktioniert wurden. Die Dorfkirche in Zeestow wurde seit Ende der siebziger Jahre nicht mehr genutzt. Deshalb überlegte sich die Gemeinde neue Ideen für die Kirche und beschloss, eine Autobahnkirche daraus zu machen. Für die Errichtung gibt es spezielle Kriterien. Es muss eine direkte Autobahnanbindung geben, die nächste Autobahnkirche sollte mindestens 80 Kilometer entfernt sein, und es müssen Toiletten und Parkplätze vorhanden sein. Außerdem muss das Gebäude genug Platz für eine Bus-Reisegruppe bieten, täglich geöffnet sein – und die zuständige Gemeinde und die Landeskirche müssen ihre Zustimmung geben. Die Gestaltung und die theologische Ausrichtung sind nicht vorgegeben.

Da das Gotteshaus in Zeestow diese Kriterien erfüllte, wurde sie dann ausführlich renoviert und im Juni 2014 als Autobahnkirche wiedereröffnet. Seitdem ist sie jeden Tag von acht bis 18 Uhr geöffnet und lockt zahlreiche Besucher an. „Die Umfunktionierung hat sich wirklich gelohnt, da sich durch den Aufbau der Autobahnkirche auch die Gemeinde erholt hat“, erzählte Pfarrer Dr. Bernhard Schmidt im Interview.

Alljährlich wird am „Tag der Autobahnkirchen“ zu Gottesdiensten und Andachten mit einem Reisesegen eingeladen, in diesem Jahr am 7. Juli.