Andreas

AndreasSchwer ist das Bündel auf meinem Rücken.
Wo soll ich damit nur hin?
Ich bin Andreas. Ich schlepp so viel mit mir rum. Ich werde es nicht los.
Ich habe keine Bleibe, wo ich es lassen kann.
Der Andreas damals, der Apostel, der hatte es besser. Hört von Jesus und läuft ihm einfach hinterher. Hat wohl nicht so viel zu tragen gehabt.
Dreht der Jesus sich einfach um und fragt den Andreas: „Was suchst du?“
(lachen) Mein Gott, was suche ich in meinem Leben? Einen Ort, wo ich alles lassen kann, was mich so niederdrückt. Einen Menschen, der mir zeigt, wo ich hingehen soll und wo ich bleiben kann.
Fragt der Andreas den Jesus: „Hast du einen Ort, wo du bleiben kannst? Ein Zuhause?“
Nirgends war Jesus zuhause. Nirgends und überall.
Und er sagt einfach: „Komm und sieh!“
Da ist er mitgegangen, der Andreas, damals.
Er hörte Jesus reden: „Ihr werdet den Himmel offen sehen. Ihr werdet Engel sehen, die zu euch runtersteigen und wieder hinauf zu Gott.“
Schöne Worte! Vielleicht hätten mir die Engel das Zeug auf dem Rücken abgenommen.
Warum schleppe ich eigentlich immer noch das Bündel auf dem Rücken? Alles alter Kram. Alles Sachen von gestern. Weg damit!
(Geräusch: Rucksack absetzen)
So! Viel besser! Ja!


Jakobus

Jakobus der ÄltereGuten Tag! Ich bin Jakobus.
Ich gehe manchmal auf Pilgerfahrt.
Seitdem trage ich dieses gelbe Tuch.
Es ist wie ein Sonnenstrahl um den Bauch.
Mein Namensvetter von früher,
Jakobus, Sohn des Zebedäus, Apostel und Wegbegleiter des Jesus von Nazareth
der hat mal was erlebt – ich glaub es kaum.
„Kommt mit!“ sagte Jesus, „dort, zum Berg, bis zur Spitze.“
Beschwerlich war der Weg, steil, immer höher hinauf. Grandiose Aussicht.
Dann plötzlich: Alles hell!
Die Kleider von Jesus, sein Gesicht: alles leuchtet, wie bei einem Engel, wie die Sonne, unglaublich. Und noch zwei leuchtende Gestalten, Mose und Elia.
Wie geht denn das?
Ein tiefer Friede zieht in das Herz von Jakobus.
Es gibt mehr, als er dachte. Es gibt größeres, als er kennt.
Alles wird gut und hat ein Ziel.
„Hier will ich bleiben!“ hört Jakobus sich sagen.
Doch im gleichen Augenblick kommt eine Wolke, hüllt sie alle ein, verdunkelt alles. Das Leuchten ist verschwunden.
„Kommt!“ sagt Jesus, „wir gehen zurück ins Tal. Unser Platz ist nicht hier in der Traumwelt. Er ist unten, im Normalen, im Alltag, bei den Menschen.“
Das gefällt mir gut. Ich mag Leute, die auf dem Boden bleiben und nicht abheben.
Wenn ich auf Pilgerfahrt gehe, sind wir auch sehr erdverbunden.
Müde Füße und viel Elend auf dem Weg.
Aber das gelbe Tuch binde ich um, damit ich an das andere Leuchten denke.
Alles wird gut und hat ein Ziel.


Judas Iskariot

12Judas„Verräter! Elender Verräter!
Wir kriegen dich! Dann gnade dir Gott!“
Ich habe es nicht gewollt. Ich war naiv.
So habe ich es mir nicht vorgestellt.
Und plötzlich ist es passiert, das Unglück.
Und alle zeigen mit dem Finger auf mich.
Ich habe gedacht, ich muss es machen.
Sie verlangen es von mir.
Wenn ich es nicht tue, dann ist alles verloren.
Für unser großes Ziel muss ich es tun.
Es merkt ja auch keiner.
Keiner weiß, dass ich es war.
So wie damals: Ein Kuss ist doch kein Verrat.
So naiv habe ich gedacht.
Damals hat Judas seinen Meister verraten, Jesus, den Gottessohn.
„Ich sage euch, wo ihr ihn findet.“
Heimlich. Kein Aufsehen. Keine Bilder. Nur ein Kuss. Nachts.
Und Jesus: Gefangen, gefoltert, getötet.
Judas, du hättest es doch wissen müssen!
Hast du es so gewollt?
Dachtest du, einer muss es machen? Keiner merkt es?
So naiv warst du?
Als Judas sieht, was er anrichtet, trifft es ihn wie der Schlag.
Entsetztes Zurückweichen. Ein Scherbenhaufen.
„Verräter!“ nennen sie ihn seitdem, auch noch nach seinem Freitod.
Ich frage mich, wer kann sich schon so sicher sein, dass er nicht auch ganz schnell zum Verräter wird?
„Wir kriegen dich! Dann gnade dir Gott!“
Ja, das ist gut. Gnade.
Gebe Gott all denen Gnade,
die plötzlich vor dem Scherbenhaufen des Lebens stehen.


Philippus

PhilippusLass mich in Ruhe. Schau mich nicht so an. Ich rede nicht gerne. Ich kann das nicht gut.
Na gut … Philippus heiße ich.
Ja, einer von denen, die mit dem Jesus von Nazareth umherzogen, der hieß auch Philippus. Viel  gesagt hat der wohl auch nicht. Aber einmal doch.
Ein Engel hat ihn losgeschickt. Steht einfach da, zeigt mit der Hand und hat ihn losgeschickt. „Philippus, gehe zur Straße von Jerusalem nach Gaza.“ –
„Warum, was soll ich da?“  Aber der Engel antwortet nicht mehr. Er ist schon verschwunden. Und Philippus geht los.
Die Straße ist einsam. Nichts zu sehen. Anders als heute, menschenleer. Aber dann doch – ein Fahrzeug. Eine Art Kutsche, vornehm. Langsam zuckelt sie näher.
Philippus sieht jemanden darin sitzen, einen Schwarzhäutigen, wohl aus Afrika. Und der liest laut aus einer Schriftrolle.
Philippus hört: „Wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird, tut er seinen Mund nicht auf.“
Und da ruft Philippus ganz laut: „Heda, vornehmer Herr! Was lest Ihr da?“
Die Kutsche hält. Der Mann in der Kutsche schaut auf Philippus.
„Ich lese aus einer Buchrolle, die ich in Jerusalem gekauft habe. Aber ich verstehe das alles nicht. Kannst du mir das erklären?“
„Ja, das kann ich wohl.“
„Dann steige zu mir in die Kutsche.“  – Und schon sitzt Philippus drin.
„Ich habe gelesen: Wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird, tut er seinen Mund nicht auf.  Was meint das? Von wem ist die Rede?“
Und da beginnt Philippus zu reden. Er erzählt von Jesus, der den Mund nicht auftat zum Fluch für seine Peiniger. Er erzählt, was er alles erlebt hat mit diesem Jesus.
Da wäre ich gerne dabei gewesen, wie die beiden sich so unterhielten in der Kutsche. Ich verstehe auch so vieles nicht. Andere wirken so sicher. Ich traue mich nicht. Ich krieg meinen Mund nicht auf.
Der Mann in der Kutsche hat sich nach dem Gespräch taufen lassen. Einfach so und ganz spontan. Auch nicht schlecht.


Simon

SimonHa!
Man sagt mir nach, dass ich so impulsiv sei.
Wenn mich was ärgert, fange ich gleich an zu poltern.
Ist doch auch wahr – was sich manche Leute so herausnehmen – und dann lassen sie es immer an uns kleinen Leuten aus.
Simon heiße ich, so wie der Apostel damals. Nein, nicht der Simon Petrus, den kennen alle. Simon, der Eiferer, so haben sie ihn gerufen.
Eiferer klingt ja noch harmlos. Simon war Zelot. Er hat das Schwert genommen und gekämpft. Heimlich über die römischen Besetzer herfallen und möglichst viele von ihnen niedermachen. Terrorist  sagt man heute dazu – oder Freiheitskämpfer, je nach Sichtweise.
Und so einer war bei den Berufenen des Jesus von Nazareth?
Man denkt ja immer, bei Jesus ging es ganz sanft zu und alles war voll Liebe und Harmonie. War aber gar nicht so:
„Wehe euch, ihr Heuchler! Äußerlich seid ihr anständig und rechtschaffen, aber in euren Herzen seid ihr voller Raub und Habgier!“
Jesus, der Eiferer. Mir gefällt das.
Wenn wieder ein Buchstabe einer Vorschrift dreimal umgedreht wird, bis es passt. Wenn schöne Sachen erzählt werden und hinterher werden alle wieder übers Ohr gehauen. Da kann man schon mal lospoltern.
Das Schwert hat er nicht genommen, der Jesus. Da ist er wirklich friedlich geblieben. Und die Heruntergekommenen, die am Boden lagen und nichts mehr hatten, die hat er aufgerichtet.
Was hätte er wohl bei mir  gemacht ?


Thomas

ThomasSo einfach ist das ja nun auch nicht!
Die reden, als sei das alles klar mit diesem Jesus.
Gekreuzigt und wieder auferstanden.
So geht das nicht, ihr Kirchenleute!
Wenn alles klar und hell erscheint, dann gucke ich lieber genauer, ins Halbdunkle.
Jaja, mein Name ist Thomas.
Und in der Bibel heißt Thomas immer Der Zweifler. Weil er nicht gleich alles glaubt, was andere sagen.
Jedenfalls saßen damals die Zwölf beisammen. Noch völlig unter Schock. Ihr Meister, der Jesus von Nazareth, war am Kreuz verreckt wie ein Verbrecher. Und die Zwölf sitzen jetzt zusammen.
Nein, eben nicht zwölf: Judas war ja nicht mehr dabei und Thomas an diesem Tag eben auch nicht. Hat sich wohl in Jerusalem umgeschaut oder war einkaufen oder was weiß ich.
Als er abends zurückkommt, reden alle auf ihn ein: „Der Jesus lebt!“ – „Wir haben ihn gesehen!“ – „Er war hier bei uns!“
„Gibt es doch nicht!“ sagt Thomas, „glaub ich nicht. Wo sind die Bewiese? Ich will ihn sehen und anfassen.“
Eigentlich hätte er jetzt weglaufen sollen vor diesem verrückten Haufen. Aber er ist dabei geblieben.
Und ein paar Tage später soll der Jesus noch einmal dort gewesen sein. Durch die verschlossenen Türen ist er gekommen und sagt: „Friede sei  mit euch!“
Da schrieen sie wieder alle: „Jesus! Du lebst!“ – „Du bist bei uns!“ – „Stärker als der Tod!“
„Thomas!“ sagt Jesus, „komm her! Sieh mich an! Berühre mich! Du willst mich doch sehen und anfassen?“
„Mein Gott!“ sagt Thomas, „Jesus. Mein Gott“
Was immer er gesehen und gefühlt hat, es muss ihn überzeugt haben.
Es gibt Menschen, die glauben das einfach so.
Und es gibt andere, die fragen nach und forschen, bis sie das glauben.
Beides kann ein guter Weg sein.